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Im Graben verschüttet

Ein kleiner Bagger steht neben einem frisch ausgehobenen Graben. Daneben liegt ein junger Mann, der dringend Hilfe braucht. Er war bei Arbeiten verschüttet worden. Jetzt ist die Hilfe der Crew von Rega 12 aus Mollis gefragt.

Der dritte Einsatz an diesem hochsommerlichen Samstagnachmittag fällt in die längst fällige Mittagszeit der diensthabenden Einsatzcrew von Rega 12, so der Funkruf der Crew der Basis Mollis (GL). Es ist kurz vor drei Uhr am Nachmittag, als sie von der Rega-Einsatzzentrale aufgeboten werden. Das Essen muss warten: Notarzt Philipp Stein, Rettungssanitäter und Leiter Rettungsdienst Markus Reichenbach sowie Pilot Rick Maurer machen sich sofort auf zum Rega-Helikopter, der vor der Basis bereitsteht.

Alarm wegen Arbeitsunfall

Als Rick Maurer die Triebwerke startet, den Rettungshelikopter AgustaWestland Da Vinci abheben lässt und nach Westen steuert, weiss die Crew lediglich, dass der Einsatz einen Arbeitsunfall in Unteriberg (SZ) betrifft. Während des Flugs erhalten die drei weitere Informationen von der Einsatzzentrale. Beispielsweise das Alter des Verunfallten, stichwortartige Angaben zu Verletzungen und Unfallhergang sowie die genauen Koordinaten des Einsatzortes. Diese Informationen werden vom Einsatzleiter per Mausklick digital auf den «Electronic Flight Bag» (EFB), einen speziellen Tablet-Computer im Rettungshelikopter, übertragen. Gleichzeitig werden die Einsatzkoordinaten direkt an das Navigationsgerät im Cockpit gesendet. Das spart nicht nur Zeit, sondern verhindert auch allfällige Fehler oder Missverständnisse, die beim Nennen von Einsatzkoordinaten über Funk auftreten könnten.

Der Rettungshelikopter überfliegt innert kürzester Zeit die markanten Gipfel der Glarner und Schwyzer Alpen sowie den Wägitalersee und nähert sich nach wenigen Flugminuten dem Unfallort, der sich unweit einer Alp auf rund 1’500 m ü. M. befindet. Er ist abgelegen und fernab des Strassennetzes – und ist somit für ein bodengebundenes Rettungsmittel kaum erreichbar. Insbesondere wenn die Zufahrt oder der Abtransport in unwegsamem Gelände schwierig ist, stellt der Rettungshelikopter nicht nur das mit Abstand schnellste, sondern auch das schonendste Transportmittel dar.

Die Rotorblätter des soeben gelandeten Rega-Helikopters drehen noch, als sich Notarzt Philipp Stein und Rettungssanitäter Markus Reichenbach bereits mit geschultertem Notfallrucksack und schnellen Schrittes zum Patienten aufmachen, der von mehreren Personen betreut wird. Beim Eintreffen der Rega-Crew liegt der Patient auf dem Rücken neben dem grossen Graben, der ihm an diesem sonnigen Nachmittag beinahe zum Verhängnis geworden wäre.

Im Graben verschüttet

Dabei hatte der Arbeitseinsatz ganz normal begonnen: Der auszubildende Landwirt Philipp Bellmont hilft seinem Onkel bei Landschaftsarbeiten nahe der Alp Spital bei Unteriberg. Er kniet in einem selbst ausgehobenen Graben und verbindet die Rohre eines neuen, unterirdischen Trinkwassertanks. Als er merkt, dass sich eine Seitenwand der Grube löst, ist es bereits zu spät.

Zwar reagiert Philipp Bellmont schnell und richtet sich auf, doch die schwere Last der Erdmassen drückt ihn innert Sekunden an die andere Seitenwand. Dem jungen Mann bleibt die Luft weg, er versucht zu schreien und verliert nur wenig später das Bewusstsein. Philipps Onkel hat die Szene zum Glück beobachtet und reagiert richtig: Er befreit seinen Neffen zuerst mit dem Bagger, der noch immer beim Erdloch steht, danach mit seinen Händen und legt ihn behutsam auf den Boden. Er sieht, dass Philipp Bellmont medizinische Hilfe braucht und alarmiert sofort die kantonale Notrufzentrale. Diese fordert aufgrund der Unfallbeschreibung umgehend einen Rettungshelikopter bei der Einsatzzentrale der Rega an.

Flug ins Zentrumsspital

Mit gezielten Fragen und geübten Handgriffen überprüft Rega-Notarzt Philipp Stein den Patienten zunächst auf mögliche Verletzungen. «Für die optimale Versorgung des Patienten ist es wichtig, möglichst genau zu wissen, was passiert ist. Der Unfallhergang kann uns nämlich zusätzliche Hinweise auf mögliche Verletzungsmuster geben. Für uns sind die Aussagen von Augenzeugen deshalb immer wichtig», erklärt er. Weil Philipp Bellmont das Bewusstsein wiedererlangt hat, kann er der Rega-Crew ebenfalls Auskunft geben. Er hat starke Schmerzen in der Brust und beim Atmen, aber einen stabilen Kreislauf und keine Probleme, Arme und Beine zu bewegen. Der Rega-Notarzt entscheidet nach einer gründlichen Erstuntersuchung, dass der Patient zur weiteren Behandlung nach Zürich ins Universitätsspital geflogen wird.

Übergabe im Schockraum

Die Anmeldung im Spital übernimmt die Einsatzleiterin in der Rega-Einsatzzentrale, nachdem sie von der Crew vor dem Abflug informiert wurde. Neben der genauen Ankunftszeit des Rega-Helikopters auf dem Dach des Universitätsspitals gibt sie dem diensthabenden Personal auch Informationen über den Gesundheitszustand des Patienten weiter, damit dieser nach der Übergabe an die Spitalärzte bestmöglich weiter versorgt werden kann. Philipp Bellmont liegt mittlerweile auf der Vakuummatratze stabilisiert auf der Trage, die kurz vor dem Abflug in Richtung Zürich mit vereinten Kräften in den startbereiten Rettungshelikopter gehoben wird.

Notarzt Philipp Stein lässt den Patienten während des Flugs keine Sekunde aus den Augen und überwacht die Vitalparameter, wie beispielsweise Puls und Sauerstoffsättigung, auf dem Monitor oberhalb des Patienten. Im Spital angekommen, bringt die Crew Philipp Bellmont in den Schockraum, wo die Übergabe des Patienten an die bereitstehenden Spitalärzte stattfindet. Der Rega-Notarzt informiert seine Kollegen ausführlich über den Unfallhergang und über die bisherigen Therapiemassnahmen. An den Flug nach Zürich kann sich Philipp Bellmont heute fast nicht mehr erinnern: «Ich war sehr müde. Zum Glück haben die Schmerzmittel schnell gewirkt.» Im Spital diagnostizieren die Ärzte später insgesamt zehn gebrochene Rippen und eine kollabierte Lunge. Philipp Bellmont erholt sich glücklicherweise schnell und kann einige Wochen später wieder seiner Tätigkeit als Landwirt nachgehen. «Das habe ich meinem Onkel, der Rega und den behandelnden Ärzten im Universitätsspital zu verdanken», sagt er.

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