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Schweizerische Rettungsflugwacht Rega, zur Startseite

Wenn Pferdestärken durchgehen

In den Ferien das liebste Hobby geniessen: hoch zu Ross durch die marokkanische Landschaft oder mit dem Töff auf der Rennstrecke in Spanien. Beiden Freuden setzte ein Unfall ein jähes Ende. Es braucht die Rega.

Flughafen Al Massira in Agadir, Marokko: Der Rega-Jet steht auf dem Flugfeld für die Patientin bereit, die Kabinentüre offen, die Rampe ausgeklappt. Die Sonne scheint ins Cockpit, die beiden Piloten Raphael Jenni und Marco Merz beugen sich über ihre Tablets. Sie bereiten den nächsten Flugabschnitt vor – es geht weiter nach Murcia in Spanien, wo ein zweiter Patient abgeholt werden soll. 

Draussen macht sich ein Mitarbeiter des marokkanischen Flughafens bemerkbar: Die Ambulanz mit der verunfallten Schweizerin fährt vor. Die Intensivpflegefachperson Andrea Spindler und der Flugarzt Marcel von Dach steigen ins Fahrzeug zur Patientin Anita Jeggli und begrüssen sie. Tränen der Erleichterung kullern über ihr Gesicht.

Schraubenschlüssel mit dabei

Gemeinsam mit den marokkanischen Pflegern schiebt die Rega-Crew Anita Jeggli vorsichtig die Rampe hoch in die Kabine und lagert sie behutsam auf die Liege im Jet um, das verletzte Bein der Patientin immer im Blick. Vor dem Abflug untersucht der Flugarzt dieses genauer. Seine marokkanischen Kolleginnen und Kollegen haben am Unterschenkel eine Fixation angebracht, wie bei der Erstversorgung von solchen Knochenbrüchen üblich. «Das sieht sauber und sehr gut aus», lautet sein Urteil. «Die gute Nachricht: Das heilt wieder.» Anita Jeggli kann noch einmal aufatmen.

Sie lässt sich von Andrea Spindler ihre Tasche reichen und kramt etwas heraus, das sie den beiden hinstreckt: «Der Schraubenschlüssel für meine Vorrichtung am Bein!» Marcel von Dach schmunzelt. Ihm sei noch nie passiert, dass eine Patientin das Werkzeug für den «Fixateur externe» grad selbst mit dabeihat. Er versichert: «Wir schrauben erst mal gar nichts. Den Verband lassen wir verschlossen – wegen der Infektionsgefahr.» Andrea Spindler kümmert sich um die Patientin, deckt sie zu, hält ihr den Trinkhalm der Wasserflasche an den Mund, kontrolliert den Tropf mit den Schmerzmitteln sowie die Sauerstoffsättigung und fragt, ob sie vor dem Start noch etwas brauche. Die Patientin verneint und schliesst die Augen.

In Spanien wartet ein zweiter Patient

Im Cockpit telefoniert Pilot Raphael Jenni mit der Einsatzleiterin im Rega-Center. Der Seitenwind in Murcia könnte so stark sein, dass der Rega-Jet bei der Landung durchstarten oder gar einen anderen Flughafen anfliegen müsste. Dann stünde aber in Murcia die Ambulanz mit dem zweiten Patienten wortwörtlich wie «bestellt und nicht abgeholt» da. «Deshalb gehen wir auf Nummer sicher und fliegen direkt Alicante an», erklärt First Officer Marco Merz. Kurzfristige Planänderungen gehören dazu: Die Einsatzleiterin in Zürich wird die spanische Ambulanz informieren und umleiten. Während des Flugs nach Alicante hält Marcel von Dach die Röntgenbilder von Anita Jeggli gegen das Licht und studiert den Bericht der marokkanischen Klinik. Seine medizinische Einschätzung und die verabreichten Schmerzmittel hält er im Flugbericht fest.

Das Unglück

Später mag Anita Jeggli erzählen: «Ich bin passionierte Reiterin und habe schon oft Reittrekkings in Marokko gemacht. In der Gruppe durch die wunderschönen Landschaften zu reiten, ist jedes Mal ein super Erlebnis», schwärmt sie. Doch am dritten Trekkingtag passierte es: Während eines Galopps über das offene Gelände schlägt ein Pferd neben Anita Jeggli seitlich aus und erwischt mit dem Huf ihren Unterschenkel. Sie hört es knacken, schreit auf, ihr Pferd erschrickt. Obwohl sie vom Tier stürzt, lässt sie vor Schmerz und Schreck die Zügel nicht los. Das Pferd dreht sich um sie herum und steht ihr mit dem Huf auf die gleiche Stelle am Bein. Nachdem sie wieder bei Bewusstsein ist, schaut sie an sich herunter: Der untere Teil des Beines steht unnatürlich schräg ab, und Blut sickert durch den Stoff. «Zum Glück realisierten Bewohner im nahe gelegenen Ort, dass etwas passiert war, und organisierten einen Ambulanzwagen.» Dieser fährt Anita Jeggli in die eine Stunde entfernte Klinik in Tiznit, 100 Kilometer südlich von Agadir. Dort wird sie rasch behandelt, bekommt Schmerzmittel, Antiseptikum und eine Diagnose: offener Bruch am Unterschenkel.

Kontakt mit der Rega

Anita Jeggli alarmiert die Rega-Einsatzzentrale. Mit Unterstützung der Reitführerin und nach telefonischem Kontakt sendet das marokkanische Personal die Röntgenbilder an die Beratungsärztin der Rega. Diese empfiehlt, sich der Notoperation vor Ort zu unterziehen, um den Bruch zu fixieren. Denn einen Transport in die Schweiz zu organisieren, braucht etwas Zeit: Es müssen die nötigen Überflug- und Landebewilligungen eingeholt, die Flugroute geplant und die Ambulanz vor Ort organisiert werden.

Die Sorgen wachsen

Ein paar Stunden später wird Anita Jeggli operiert und der «Fixateur externe» angebracht und mit Schrauben im Knochen befestigt. So werden die Knochenfragmente, die durch den Bruch entstanden sind, stabilisiert, damit sie sich nicht gegeneinander verschieben können. «Ich war sehr gut aufgehoben und medizinisch professionell betreut», so Anita Jeggli. Doch sie macht sich Sorgen: Wird ihr Bein wieder vollständig genesen? War auch alles genügend sauber, sodass sich nicht plötzlich eine Entzündung entwickelt? Diese Fragen und anderes belasten sie. «Als ich jeweils umgelagert wurde, waren auf einmal zehn Leute um mich. Danach wieder keine Menschenseele.» Sie ist allein und völlig immobil. «Ich hätte gerne wieder einmal die Zähne geputzt oder mich gewaschen.» Ihr Wunsch stösst auf keine Reaktion. Sie realisiert erst mit der Zeit: Die Pflegerinnen und Pfleger im marokkanischen Spital sind weder für Körperhygiene noch für Mahlzeiten zuständig. Darum kümmern sich Angehörige der Patienten. Ihre Reitführerin bringt ihr schliesslich ein Becken und zwei Tücher, sodass sie sich behelfsmässig waschen kann. «Ich bin einfach nur froh, dass wir die Rega haben. Ich hätte nicht gewusst, wie ich sonst heimgekommen wäre.»

Heimkehr im Ambulanzjet anstatt im Auto

Landung in Alicante beim zweiten Patienten: Nach seinem Töffunfall lag Nicolas Schmassmann eine Woche lang verletzt im Spital und hatte vor, gemeinsam mit seinem Sohn im Auto heimzufahren. Jetzt befindet sich der Gönner auf der zweiten Liege im Ambulanzjet und ist froh, dass es im Jet und nicht mit dem Auto nach Hause geht. Die Erinnerung an den Unfall wischt er mit einer Handbewegung beiseite. Er ist Optimist: «Das kommt wieder gut.» Seine Ferien verbrachte er mit Motorradfahren auf dem «Circuito de Cartagena» bei Murcia. Auf einer Fahrt rutscht ihm die Maschine in einer Kurve weg und fängt Feuer. Er hat Glück im Unglück: Keine Verbrennungen, aber im Spital diagnostizieren die spanischen Ärzte ein Thoraxtrauma, einen Becken- und Armbruch. Seine Frau daheim kontaktiert die Rega. Im Spital kämpft Nicolas Schmassmann mit der Verständigung, obwohl er Spanisch spricht. Die Rega-Beratungsärzte helfen aus, versorgen ihn mit den nötigen Informationen zu seinen Röntgenbildern und dem MRI-Befund. Sie raten ihm von der Heimfahrt im Auto ab.

Vom Jet ins Spital

Nach rund zwei Stunden Flug setzt der Rega-Jet in Kloten auf. Je eine Ambulanz bringt Patientin und Patient ins Spital in der Nähe ihres jeweiligen Wohnorts. Es folgen Untersuchungen, für Anita Jeggli eine zweite Operation und die Tage der weiteren Genesung – nun aber in gewohnter Umgebung und mit Angehörigen und Freunden ganz in ihrer Nähe.

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