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Aortendissektion: Jede Sekunde zählt

Bei jedem dritten Alarm, der die Rega erreicht, handelt es sich um eine dringende Verlegung. Im Fall von Cindy Essl zählte jeder Augenblick – und dass alle, vom Hausarzt bis zur Notaufnahme, richtig reagiert haben.

In den Tellern dampft und duftet es verführerisch. Das Mittagessen steht auf dem Tisch, als ein Alarm die Crew von Rega 1 kurz vor 13 Uhr zur Arbeit ruft. Das Kantonsspital Baden bietet die Rega auf, um eine Patientin ins Unispital nach Basel zu verlegen. Ein Sekundäreinsatz also – ein Transport von Spital zu Spital. Im Gegensatz zu einem Primäreinsatz, wo die Rega-Crews medizinische Hilfe direkt zum Ort des Geschehens bringen, geht es bei Sekundäreinsätzen selten um Minuten oder Sekunden.

 

Die Meldung über Funk verheisst nichts Gutes

Meist reicht die Zeit, um noch ein Stück Brot oder einen letzten Bissen vom Mittagessen zu nehmen. Nicht so in diesem Fall. Die Meldung über Funk verheisst nichts Gutes: Aortendissektion. Ein absoluter Notfall. Die Crew begibt sich auf dem schnellsten Weg zu ihrem Helikopter. Während Pilot Alex Itin die Turbinen seines Helikopters startet und Adrian Ferrari den Vorgang aussen an der Maschine überwacht, studiert Notarzt Christian Möhrlen bereits die medizinischen Daten der Patientin. 

 

Verlegungsflug von Baden ins Universitätsspital Basel

Cindy Essl heisst die Frau, die mit 35 Jahren eigentlich viel zu jung ist für diese Diagnose. Zwölf Minuten dauert der Überflug nach Baden im Kanton Aargau. «Auf dem Flug zum Ausgangsspital besprechen wir jeweils die Diagnose und versuchen, uns optimal auf unseren Patienten vorzubereiten», erklärt Adrian Ferrari. «In diesem Fall ist uns das Alter aufgefallen. Die Aortendissektion kommt vor allem bei 50 bis 70-Jährigen vor. Eine junge Patientin mit einer derart schweren Erkrankung ist ungewöhnlich.» Im Notfallzentrum des Kantonsspitals Baden trifft die Rega-Crew zum ersten Mal auf Cindy Essl. Ihr Ehemann Dani begleitet sie. «Passt bitte auf ihre Schulter auf, sie ist frisch operiert», warnt er die Crew, als diese sich beeilt, die Patientin sorgsam auf die Rega-Trage umzulagern.

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Das Gesundheitssystem funktioniert perfekt

Um 10 Uhr hatte Cindy Essl damals einen Termin bei ihrem Physiotherapeuten im aargauischen Würenlos. Ein Skiunfall hatte ihrem Winterurlaub in Österreich ein jähes Ende gesetzt. Die Schulter war gebrochen. Nach der Operation in der Schweiz stand nun Physiotherapie auf dem Programm. Schnell wieder gesund werden. Doch es sollte anders kommen. Als Cindy Essl nach der Therapie aufsteht, sackt sie zusammen. Schmerzen. Unglaubliche Schmerzen in Hals, Brust, Rücken, Bauch. Der Physiotherapeut vermutet, dass die Schulter erneut gebrochen oder ein Nerv eingeklemmt ist.

 

Vom Physiotherapeut ins Kantonsspital

Er reagiert umgehend, packt seine Patientin in sein Auto und fährt mit ihr einige hundert Meter in die Praxis ihres Hausarztes. Ohne Umweg geht es in den Behandlungsraum. Der Hausarzt untersucht Cindy Essl und lässt gleichzeitig ihren Ehemann informieren. Als Hausarzt kennt er seine Patientin und deren Familiengeschichte. Das rettet Cindy Essl wahrscheinlich das Leben. Denn Herzkrankheiten kommen in ihrer Familie häufiger vor, der erfahrene Hausarzt ist auf diese Thematik sensibilisiert. Cindy Essls Mutter hatte einen Herzinfarkt, zwei Onkel starben aufgrund von Herzerkrankungen. Als der Hausarzt noch dazu eine grosse Differenz bei der Blutdruckmessung in der linken und rechten Körperhälfte feststellt, ist er sich sicher, dass es nun um Minuten geht. Er ruft eine Ambulanz und Cindy Essl wird zur Bestätigung der Verdachtsdiagnose ins Kantonsspital Baden gefahren. Nach einer Ultraschalluntersuchung des Herzens wird klar: Die Aorta ist eingerissen. Eile ist geboten. Es gilt, für Cindy Essl so rasch wie möglich einen Platz in einem spezialisierten Herzzentrum zu finden. Sie muss dringend operiert werden.

Das schnellste, schonendste Transportmittel

Im Universitätsspital in Basel ist noch ein Platz frei. Ein Transport mit der Ambulanz würde viel zu lange dauern. Das schnellste und schonendste Mittel ist der Rettungshelikopter der Rega. Kurz darauf, um 13.09 Uhr, landet Alex Itin den Rega-Helikopter vor dem Kantonsspital Baden. Gemeinsam mit seinen Kollegen schiebt er die Trage in den Notfall und lagert die junge Patientin behutsam um. «Ich kann mich gut erinnern, wie vorsichtig ihr mit mir umgegangen seid und wie gut ihr auf meine kaputte Schulter geachtet habt», sagt Cindy Essl bei einem späteren Besuch auf der Basis. Fest in ihre Erinnerung eingebrannt hat sich auch die ruhige Art der Rega-Crew. «Alex, Du hast mir vor dem Start erzählt, dass wir gutes Flugwetter hätten, wie lange der Flug dauern würde und dass ich es geniessen soll. Dabei habe ich doch Flugangst.» Cindy Essl übersteht nicht nur den Flug, sondern auch die anschliessende mehrstündige Operation gut.

 

Viele Menschen haben zur richtigen Zeit richtig gehandelt

Mit der Operation ist es für die lebensfrohe junge Frau aber nicht getan. Es folgt ein langer Weg zurück in ein normales Leben. Teil der Verarbeitung dieses traumatischen Erlebnisses ist der Besuch bei der Rega. Dass nicht nur die Crew und der rasche Transport mit dem Rega-Helikopter in ein geeignetes Spital zentral für ihre Genesung war, dessen ist sich Cindy Essl bewusst. «Ich verdanke mein Leben dem Umstand, dass viele Menschen zur richtigen Zeit richtig gehandelt haben.» Vom Physiotherapeuten über den Hausarzt, die Ambulanz, das erstbehandelnde Spital in Baden, die Rega bis hin zum Universitätsspital Basel – im Fall von Cindy Essl hat das Zusammenspiel der verschiedenen Partner im Schweizer Gesundheitswesen perfekt funktioniert. Auf die Frage, was sie am meisten beeindruckt habe, kommt umgehend die Antwort: «Mein Hausarzt hat sich mehrmals persönlich nach meinem Befinden erkundigt. Als ich noch auf der Intensivstation lag, aber auch danach. Nicht selbstverständlich», sagt Cindy Essl und hat damit wohl Recht.

 

Illustration: Der Rettungshelikopter H145

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